Was machen Pornostars eigentlich, wenn sie keine Sexfilme mehr drehen? Fünf bekannte Darsteller berichten über ihr Leben danach und ziehen Bilanz über ihre Zeit im Porno-Business.
1) Ruggero Freddi: „Beruflich hat es mich beeinträchtigt“
Ruggero Freddi denkt gerne an seine Zeit im Porno-Business zurück. Dem Vice Magazin erzählt er: „Es war eine sehr glückliche Zeit in meinem Leben. Ich bin stolz, Carlo Masi gewesen zu sein. Ich gehörte im Pornogeschäft zu einer Elitegruppe. Ich war privilegiert.“
Aus seiner Karriere als Pornodarsteller habe er das meiste herausgeholt, so berichtet Freddi weiter. Als sich die Abläufe und Filmdrehs aber nur noch wiederholt hätten und es Uneinigkeiten mit der Produktionsfirma gegeben hat, habe er den Entschluss gefasst, ein für alle Mal mit den Sex-Filmen aufzuhören: „Ich entschied auszusteigen, bevor es zu spät war, mich beruflich neu zu erfinden.“
Freddi widmete sich daraufhin seiner echten Leidenschaft, der Mathematik. Als Dozent unterrichtete er einige Jahre an der Universität Rom – bis eine Zeitung seine erotische Vergangenheit ans Licht brachte und damit einen landesweiten Skandal auslöste. Die mediale Aufmerksamkeit nutzte er, um sich für LGBT-Rechte, wie die Ehe für Alle einzusetzen. Freddi war damals ein gern gesehener Gast in politischen Talk-Shows, kommentierte aktuelle Nachrichten und die kulturellen Entwicklungen Italiens.
Für seine akademische Laufbahn bedeutete der mediale Trubel um seine Person jedoch bald das Aus. „Ich hatte lange von einer akademischen Karriere geträumt, aber sobald sich meine Vergangenheit rumgesprochen hatte, wurde das schwierig. Einige Professoren, die mich eingestellt hatten, sagten mir später, dass ihnen davon abgeraten worden sei. Leider zeigt das, was für Menschen in den oberen Rängen der Universitäten sitzen – und dass du nicht um sie herum kommst.“
Auch wenn er aufgrund seiner erotischen Vergangenheit niemals eine direkte Diskriminierung an der Hochschule erfahren habe, konstatiert Freddi rückblickend: „Beruflich hat es mich beeinträchtigt.“ Heute arbeitet er als Lehrer an einem Gymnasium.
2) Mia Khalifa: „Als hätte ich mein Recht auf Privatsphäre verloren“
Mia Khalifa zählte lange Zeit zu den bekanntesten Pornodarstellerinnen der Welt – auch wenn sie nach eigenen Angaben nur drei Monate lang in dem Business tätig war. Im Herbst 2014 geht ein Video von der damals 22-jährigen viral, in welchem sie einen Dreier hat – und dabei einen Hijab trägt, eine traditionelle, muslimische Kopfbedeckung.
Auch wenn das Video in kürzester Zeit millionenfach geklickt und zu einem großen Erfolg wird, in vielen islamischen Ländern löst es einen handfesten Skandal aus. „Ihr schafft es noch, dass ich umgebracht werde“, hatte Khalifa den Produzenten des Videos zugerufen, woraufhin alle gelacht hätten. Die Wahrheit jedoch ist, dass sie für das Video bis heute Morddrohungen erhält.
Rückblickend kann die heute 29-jährige Amerikanerin einer Pornofilmkarriere nicht mehr viel abgewinnen: „Ich denke, es war meine rebellische Phase. Es war nicht wirklich für mich.“
Doch mit den psychischen Auswirkungen hat Khalifa bis heute zu kämpfen, verrät sie dem Nachrichtenmagazin Stern: „Ich fühle mich, als ob die Leute durch meine Kleidung durchsehen können. Als hätte ich mein Recht auf Privatsphäre verloren.“ Kein Wunder: „Ich bin ja auch nur eine Google-Suche entfernt.“
Großen Reichtum hat ihr die Pornokarriere übrigens nicht beschert. Lediglich 12.000 US-Dollar habe sie für die Filme, an denen sie keinerlei Rechte besitzt, erhalten.
Doch immerhin: Die Aufmerksamkeit ist geblieben. Heute ist Mia Khalifa als Influencerin auf Instagram, Youtube und Twitter aktiv und unterhält dort ein Millionenpublikum. Diesmal aber nicht allein mit ihrem Sex-Appeal – sondern mit politischen Diskussionen.
3) Lisa Ann: „Nur wenige überstehen das unbeschädigt”
Nach einem kurzen Ausflug in die Porno-Branche in den 1990ern, kehrte Lisa Ann 2006 vor die Kamera zurück und wurde schnell zu den bekanntesten MILF-Darstellerinnen weltweit. Ihre wohl bekannteste Rolle: eine Sex-Parodie auf die republikanische Abgeordnete Sarah Palin („Who’s Nailin’ Paylin?”).
2014 beendete Ann ihre Pornofilm-Karriere, doch blieb der Szene treu: Im selben Jahr gründete sie die Casting-Agentur „Lisa Ann’s Talent Management”, mit welcher sie Darsteller und Regisseure an Sex-Film Produktionen vermittelt.
Über ihr Leben als Pornodarstellerin äußert sich Ann heute sehr viel kritischer als noch vor einigen Jahren: „Du arbeitest als Frau in einer Branche, in der du ein Stück Ware bist. Nur wenige überstehen das unbeschädigt.”
4) Jenna Jameson: „Ich war drogenabhängig”
Jenna Jameson gehört lange Zeit zweifellos zu den bekanntesten Gesichtern der Sex-Branche. Nicht umsonst lautet ihr damaliger Spitzname: Queen of Porn.
Doch ihr Leben verlief lange Zeit alles andere als märchenhaft. Im Jahr 1990 wird sie nach einem Football-Spiel von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen und mehrfach vergewaltigt. „Dieses Verbrechen hat aber nichts damit zu tun, dass ich in der Porno-Branche gelandet bin”, sagt Jameson. Nichtsdestotrotz: Die Amerikanerin kam früh in ihrem Leben in Kontakt mit Kokain und LSD – Drogen, die im Porno-Business „das Zuckerl zum Tee” waren.
Für Jameson war das Pornogeschäft Segen und Fluch zugleich. Einerseits verdiente sie unglaublich viel Geld – bis zu 60.000 Euro für eineinhalb Drehtage. Auf der anderen Seite standen die immer härteren Drogen, der Druck auf Kommando zu performen, die zweifelhaften erotischen Beziehungen zu Prominenten. Jameson wurden unter anderem Affären mit Tommy Lee und Marilyn Manson nachgesagt. Letzterer soll davon fantasiert haben, „sie lebendig zu verbrennen.”
Nach ihrem Leben als Pornodarstellerin trat Jameson als erfolgreiche Geschäftsfrau in Erscheinung. Ihr Label „ClubJenna” verkaufte sie an den Playboy und trat als Comic-Charakter in zahlreichen Filmen und Videospielen auf. Mit „Sugar” schrieb sie einen erfolgreichen erotischen Roman, setzt sich für Frauenrechte ein. Nur von ihrer Drogensucht kommt sie bis heute nicht los.
5) Sasha Grey: „Ich vermisse die finanzielle Sicherheit“
Mit 18 Jahren möchten viele junge Frauen Ärztin, Rechtsanwältin oder Lehrerin werden – Sasha Grey wollte Pornodarstellerin werden. Und so kam es dann auch: Fünf Jahre lang war sie in der Branche tätig, in der sie schnell zu einem echten Superstar wurde. Obwohl sie eigentlich überhaupt nicht ins Klischee passte, wie sie selbst sagt: „Ich hatte nie ein Drogenproblem, keine familiären Dramen und bin auch nicht dumm. Das Bild weiblicher Pornodarstellerinnen ist meistens stereotyp und falsch. Pornos faszinierten mich schon lange.“
Mit 23 Jahren hat Grey ihre Karriere allerdings nach relativ kurzer Zeit wieder beendet. Sie hatte einfach keine Lust mehr. „Ich habe alles erlebt, wiederholte mich nur noch“, verrät sie in einem Interview mit dem Spiegel. Außerdem hat sie mittlerweile Rollen angeboten bekommen für „normale Filme” und TV-Serien.
Durch ihre Sex-Filme ist Grey international sehr berühmt geworden, wird von ihren Fans auf der Straße erkannt und angesprochen. Stören tut sie das nicht: „Es ist ein bisschen lustig: Die Männer schauen mich lange an, bevor sie sich trauen, mich anzusprechen.“
Bei der Frage, ob es etwas gibt, das sie an ihrem Ex-Beruf als Pornodarstellerin vermissen werde, muss Grey nicht lange überlegen: „Das Absurde! Das habe ich meistens geliebt. Teilweise sogar den Sex, ich habe da viel gelernt. Aber vor allem vermisse ich die Sicherheit. Ich hatte ein festes Einkommen, feste Arbeitspläne. Das ist jetzt alles weg.“ Mit 23 Jahren hat Sasha Grey nun die Möglichkeit, noch einmal ganz von vorne anzufangen.
Ein neues Leben, aber die Vergangenheit bleibt
Auch wenn nur wenige Pornostars über negative Erfahrungen nach ihrem Karriereende berichten, so ist der Beruf des Pornodarstellers und der Pornodarstellerin eine Tätigkeit, die man sich im Vorfeld gut überlegen sollte. Denn: Das Internet vergisst nichts. Was für eine akademische Laufbahn hinderlich sein kann (siehe Ruggero Freddi), kann für eine Karriere als Influencer jedoch fördernd sein (siehe Mia Khalifa).
Viele Pornostars verfügen über eine breite Fanbasis, die ihren Idolen auch nach beendeter Karriere weiter die Treue hält. Und mit Dolly Buster oder Michaela Schaffrath (aka Gina Wild) gibt es auch in Deutschland einige berühmte Pornodarstellerinnen, die nach ihrer Tätigkeit in der Sexbranche weiter Karriere gemacht haben.
Warum auch nicht? Die Arbeit als Pornodarsteller oder Pornodarstellerin sagt schließlich überhaupt nichts über die Kompetenzen oder Talente einer Person aus. Wir sollten uns endlich frei machen von vermeintlichen Stigmatisierungen und Vorurteilen. Auch ein Pornostar hat das Recht, noch einmal ganz von vorne anzufangen.