Da Sexarbeit in der Ukrainie qua Gesetz als illegal eingestuft ist, sind Menschenhandel und Ausbeutung zur Normalität geworden. Der schreckliche Krieg hat diese Situation weiter verschlimmert. Die ukrainische Escort Sophie, die nach Berlin geflüchtet ist und ihren Beruf inzwischen dort ausübt, spricht in einem Interview mit Kaufmich.com über ihre Beweggründe für die Flucht, ihre Hoffnungen und die Kriminalisierung von Prostituierten in ihrem Heimatland.
Wegen des Krieges: Berufsausübung für Prostituierte in der Ukraine fast unmöglich
Rund sechs Monate sind seit Kriegsbeginn in der Ukraine vergangen. Seither ist nicht nur Angst ein ständiger Begleiter der Menschen in dem osteuropäischen Land, auch das soziale Leben ist massiv eingeschränkt. An eine geregelte Arbeit und ein damit verbundenes sicheres Einkommen ist für viele nicht mehr zu denken. Besonders betroffen: Sexarbeiter.
Doch der Reihe nach. Denn die Lage für Prostituierte in der Ukraine war auch schon vor dem Krieg äußerst prekär. Grund: Prostitution ist dort unter Strafe gestellt. Eine Gesetzgebung, die der Nährboden für Menschenhandel und Ausbeutung ist. Paradoxerweise ist der Kauf von sexuellen Dienstleistungen nicht verboten.
Und durch den Krieg ist die Situation nur noch schlimmer geworden. Selbst heimlich zu arbeiten, ist für ukrainische Prostituierte nun kaum noch möglich. Sophie erzählt: „Seit Beginn des Krieges herrscht dort Ausgangssperre, sodass es unmöglich war, in der Nacht zu arbeiten. Wir hatten jede Menge Fliegeralarm, und jedes Mal fühlte es sich so an, als würde man jetzt sterben müssen.”
„Frauen müssen verstehen, dass sie in Europa legal arbeiten können”
Sophie lebte mit der Angst, jeden Moment getötet werden zu können, was sie letztlich dazu gebracht habe, das Land zu verlassen. Ob andere Sexarbeiterinnen ähnliche Beweggründe für die Flucht aus der Ukraine hatten, kann sie jedoch nicht sagen, da sie keine stabilen Bindungen zu ihnen aufgebaut habe. Die Angst, in Schwierigkeiten zu geraten, sei einfach zu groß gewesen. Man hielt sich daher untereinander eher bedeckt.
Sophie wisse lediglich von einer ehemaligen Freundin, die jetzt in Frankreich lebt. Andere wiederum gründeten eine Familie und hörten auf, als Prostituierte zu arbeiten, oder verließen schon vor dem Krieg das Land. Und letzteres würde sie auch allen Frauen raten, die in der Ukraine geblieben sind, um dort weiterhin sexuelle Dienstleistungen anzubieten.
„Diese Frauen müssen verstehen, dass sie in Europa legal und unter viel besseren Bedingungen arbeiten können”, sagt Sophie. In Ländern wie Deutschland können Sexarbeiter ihren Beruf nämlich außerhalb des kriminellen Milieus ausüben, ohne ausgebeutet zu werden.
Die Escort ist sich sogar sicher, dass sich viele ihrer Kolleginnen schon mit deutlich schlechteren Bedingungen zufriedengeben würden. „Ich schätze, die meisten Frauen, die dem Krieg entkommen sind, würden lieber als Sex-Sklavinnen zu Hause von solchen benutzt werden, die ihnen ‚helfen’, als gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen zu werden, obwohl die Sklaverei zu Hause sicher keine gute Lösung ist”, sagt sie.
Zukunft in Deutschland oder Rückkehr in die Ukraine?
Ob Sophie irgendwann in die Ukraine zurückkehren will, weiß sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Zwar stamme sie aus der Westukraine, dem sichereren Teil des Landes, allerdings habe sie während des Krieges keine Möglichkeit, in ihrer Heimatstadt zu arbeiten.
Eine verzwickte Situation, da dort noch ihre gesamte Familie lebt, wie sie berichtet. Zumindest werde sie diese regelmäßig besuchen. Und was nach dem Krieg ist, wird man dann sehen – sowohl der Verbleib in Deutschland oder eine Rückkehr in die Ukraine ist für sie denkbar.
Was für eine Rückkehr spricht: Das Leben in Deutschland ist deutlich teurer und Sophie wolle nicht ewig der Sexarbeit nachgehen. Eine weitere Möglichkeit für sie ist es deshalb auch, hierzulande zu studieren. Nach Programmen habe sie sich bereits erkundigt, sei jedoch noch nicht fündig geworden.
Geldverdienen ist Sophie aktuell ohnehin am wichtigsten. Oder anders formuliert, der „Überlebensmodus”, wie sie es nennt.